Tabuthema: Harninkontinenz

von Dr. Karl G. Kunz

In Deutschland gehört das Krankheitsbild der Harninkontinenz, d. h. der unwillkürliche Abgang von Urin, immer noch zu den Tabuthemen
vieler betroffener Patienten. Nur wenige dieser Patienten suchen, teils aus falschem Schamgefühl, teils aus mangelnder Information über bestehende Behandlungsmöglichkeiten, ihren Arzt auf. In Deutschland leben zur Zeit über 4 bis 6 Millionen Betroffene, davon ca. 75 % Frauen. Die Harninkontinenz wird eingeteilt in die sog. Stressinkontinenz, die Dranginkontinenz, die Reflexinkontinenz sowie die Überlaufinkontinenz. Für die Ausbildung einer Stress inkontinenz gibt es mehrere Ursachen, wobei der Turgorverlust der Schleimhaut in der Harnröhre ebenso eine Rolle spielt, wie Bindegewebsdefekte, Schwäche der muskulären Strukturen, Inervationsstörung, nach Operationen,
nach Geburten, sowie durch Drucksteigerung bei chronischer Bronchitis sowie Adipositas.

Nach Einführung einer neuen Operationsmethode durch den schwedischen Gynäkologen Prof. Dr. Ulmsten, der die Behandlung der Belastungsinkontinenz mit dem spannungsfreien Vaginalband (TVT) propagierte, wird diese Operationsmethode seit etwa 10 Jahren an der
Asklepios Klinik in Kandel durchgeführt. Behandelt werden mit dieser Methode vor allem Patientinnen, bei denen es zu einer Lockerung der Aufhängebänder der Harnröhre gekommen ist. Aufgrund dieser Lockerung kommt es bei diesen Patienten zu Störungen der urethralen
Verschlussfunktion mit Urinverlust bei Belastung wie Husten, Hüpfen und Laufen. Ziel der TVT Methode ist es, eine Verbesserung des Harnröhrenverschlussdruckes hervorzubringen. Dazu wird von vaginal über einen kleinen Schnitt von etwa 1 cm Länge ein breites grob gewobenes Proleneband mittels Führungsnadeln seitlich der Harnröhre gelegt. Dieses Proleneband liegt spannungsfrei um die mittlere Harnröhre, so dass die Kontinenz bei der Verschlussfunktion wiederhergestellt und die Funktionalität der Urethra nicht eingeschränkt wird. Dieses Verfahren ist nur sehr gering invasiv, es werden kleine Schnitte verwendet, die Operationsdauer beträgt etwa 30 Minuten und ist in Lokalnarkose durchführbar. Nach der Operation werden die Patienten sofort mobilisiert, in der Regel ist bereits nach wenigen Stunden eine
Spontanmiktion möglich, so dass eine Katheterisierung entfällt. Langzeitergebnisse bestätigen den Erfolg dieser Operation. Insgesamt 85 % der Fälle erzielten eine vollständige Heilung, bei 10 % kam es zu einer deutlichen Besserung. Nur 5 % der operierten Frauen konnten durch
die TVT Operation keinen Gewinn an Lebensqualität erfahren.